Don’t Look Up

Vorweg sei darauf hingewiesen, dass im nachfolgenden Text zentrale Aspekte und Handlungsstränge des Films „Don’t Look Up“ vorkommen. So jemand den Film noch nicht gesehen hat und dies unvoreingenommen tun möchte, sollte dies vor dem Weiterlesen in Angriff genommen werden.

I.

Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Laut dem Duden prinzipiell eine „längere Zeit anhaltende Wirkung”, ebenso in der Forstwirtschaft ein „forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann“ oder aber auch in der Ökologie ein „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“.[1] Ergänzend dazu könnte man das Sprichwort „spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ anführen. Wer seine Güter also nicht gleich vollkommen verbraucht, sondern darauf achtet, auch später noch etwas davon zur Verfügung zu haben und im Idealfall bedenkt, den Vorrat regelmäßig aufzufüllen, handelt nachhaltig.

Mit Nachhaltigkeit und den damit einhergehenden Handlungen und Konsequenzen scheint es mitunter schwierig bestellt zu sein. Selbst einfach formulierte Gegebenheiten haben nur vermeintlich einfache Lösungen, da ökologische Zusammenhänge naturgegeben komplex sind und langfristige Veränderungen eben genau dies sind und selten unmittelbar. Die landwirtschaftliche Vorschrift im Buch Exodus, Felder jedes siebente Jahr nicht zu bewirtschaften[2], ist allerdings auch ein Hinweis darauf, dass langfristiges und damit nachhaltiges Denken auch in Traditionen gegossen werden kann. Ähnliches gilt bei den in mitteleuropäischen Gebieten angewandten Methoden von Fruchtwechsel oder Mehrfelderwirtschaft. Der Auslaugung des Bodens und der damit verbundenen Unfruchtbarkeit durch dauerhaft einseitige Bewirtschaftung wird damit vorgebeugt. Ähnlich zu sehen wären Bauernregeln, die in Merksätzen durch Generationen erworbene Erkenntnisse in allgemein verständliche Portionen verpacken. So weit, so praktisch.

Problematisch wird es allerdings dann, wenn der tiefere Sinn der Tradition nicht (mehr) bekannt ist und unvorhergesehene Änderungen (sowohl von außen als auch von innen) das Gefüge stören und es notwendig wird, neue und kreative Lösungen zu finden. Bei lokalen Phänomenen kann als allerletzte Möglichkeit die Übersiedelung in entfernte Gebiete in Betracht gezogen werden. Aber was, wenn die Situation global ist und ein Massenexodus der Menschheit zwecks Neustarts in die Weiten des Alls, wie in so manchem Science-Fiction Film gezeigt, technisch noch nicht möglich ist? In Ermangelung möglicher Flucht sollte der Ausweg vor allem deswegen nachhaltig sein, um nicht von einem Desaster ins nächste zu stolpern. Katastrophen jeden Ausmaßes waren immer wieder ein beliebtes Motiv der Filmindustrie. Sei es auf lokaler Ebene, wenn etwa Japan zum x-ten Mal von Godzilla angegriffen und Tokio eingestampft wird, wobei dies für sich schon ein schönes Beispiel für fehlende Nachhaltigkeit darstellt. Spätestens beim dritten Mal, sollte man meinen, könnte man schon die vorher gesammelten Erkenntnisse gleich zu Beginn zur Abwehr verwenden, was aus cineastischer Sicht aber vermutlich eher langweilig wäre. Oder, wie Ende 2021, eine umfassende Katastrophe auf globaler Ebene.

II.

Während die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie noch immer allgegenwärtig sind, kam ein Film in die Kinos, der eindrucksvoll vor Augen führt, wie die Menschheit möglicherweise tatsächlich auf eine relativ unmittelbare globale Bedrohung reagiert: „Don’t look up“. Im Film sind jedoch weder eine hochansteckende Krankheit oder Monster in der Größe von Hochhäusern noch thermonuklearer Krieg die potentiell apokalyptischen Szenarien mit drohender Vernichtung der Welt. Ein Komet befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde, ob seiner Größe noch mehr Vernichtung mit sich bringend als beispielsweise jener Himmelskörper, der das Ende der Dinosaurier mit sich brachte. Das Ende der Menschheit droht, die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

Optimistisch denkende Zuseher sehen zu Beginn tatsächlich noch hoffnungsvoll, wie den Hauptprotagonisten als warnenden Wissenschaftern Gehör geschenkt wird, globale Einigkeit herrscht und die Abwendung der Gefahr realistisch scheint. Raketenbeschuss ist die präferierte nachhaltige Lösung, da die kleinen Bruchstücke entweder die Erde dann gar nicht mehr erreichen oder schlichtweg in der Atmosphäre verglühen. Besonders der Faktor Zeit sollte hierbei erwähnt werden, da bei teilweisem Misslingen noch Zeit bliebe entweder weitere Raketen nachzusenden oder, falls der Einschlag nicht ebenso alles zerstören würde, man entsprechende Schutzeinrichtungen koordinieren könnte.

Profitgier und Egoismus führen jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die vollständige Zerstörung des Kometen soll dann doch, dank einer Einflüsterung eines technologischen Magnaten mit messianischem Auftreten an die Präsidentin der USA, einer Art Zersplitterung und Gewinnung von wertvollen Rohstoffen weichen, ohne Exit-Strategie, falls dies schiefgehen sollte. Davon abgesehen, dass durch Absagen des ursprünglichen Plans wertvolle Zeit verloren geht, die einen allgemeinen Plan B verunmöglicht, ist das Bevorzugen wirtschaftlicher Interessen zugunsten einer profitablen Vorgehensweise in diesem Szenario schlicht nicht nachhaltig. Ebenso, dass es sich dabei um einen Alleingang der Regierung der USA gegen die Interessen der restlichen Welt inklusive der eigenen Bevölkerung handelt.

Seitens der Regierung der USA wird noch dazu der Slogan „Don’t look up!“ propagiert, um Zweifel zu zerstreuen. Das Ignorieren der Gefahr als Methode, um kritische Stimmen, die der neuen Strategie weniger positiv gegenüberstehen und sich eine tatsächlich global erarbeitete Abwehr mit alternativen Möglichkeiten wünschen würden, zum Verstummen zu bringen. Passenderweise bedienen sich diese kritischenn Stimmen übrigens dem Slogan „Look up!“, ganz im Sinne davon, dass das Problem nicht ignoriert und nicht blind auf eine singuläre Lösung vertraut werden sollte. Während dem Start der Mission werden zusätzlich dann noch die Startbasen der Raketen anderer Weltmächte zerstört, da diese dem neuen Plan nicht vertrauen und lieber auf Gewissheit denn auf „es kann nichts schiefgehen“ setzen wollen.

Murphy’s law lässt dann, eher unüberraschend, grüßen, das Vorhaben scheitert und ein kleiner elitärer Kreis verlässt die Erde in einem Raumschiff kurz vor dem Impact. Dies war übrigens bereits für den nicht wahrscheinlichen Fall im Voraus geplant und stellt zwar eine sehr bedingt nachhaltige Lösung dar, allerdings nur für wenige Menschen auf Kosten fast der gesamten Menschheit. Unsere Protagonisten seien hier auch noch einmal erwähnt. Sie warten gemeinsam beim Abendessen, unter anderem mit einem Dankesgebet, auf den Einschlag und das Ende der Welt.

Die Welt liegt in Trümmern, die Geflüchteten landen viele Jahre später auf einem besiedelbaren Planeten und, während dort die Präsidentin der USA noch schnell von einem Tier gefressen wird, sieht man auf der komplett zerstörten Erde ihren Sohn aus den Trümmern steigen und eine Videonachricht auf sein Smartphone aufnehmen.

III.

Das Szenario, das hier im Film als vielschichtiges Gemälde gemalt wird, regt auf vielerlei Weisen zum Nachdenken an.

Bereits der Titel ist geeignet, für sich alleine schon mehrere Ansätze zu liefern. „Don’t look up“ – „nicht nach oben sehen“ lässt mehrere Assoziationen zu. Es könnte ein gutgemeinter Rat sein, jemanden vor einem furchtbaren Anblick schützen zu wollen. Bezugnehmend auf die Handlung ein konterkarierender Gedanke, ist im Film der Satz ja das propagandistische Motto, um die Menschen ruhig zu halten. Man könnte die Aussage möglicherweise auch so deuten, dass man Ursachen primär im Hier und Jetzt, nicht im rein spirituellen Sinne suchen sollte. Damit einhergehend der Hinweis darauf, dass globale Katastrophen und Krisen keine Strafen von G*tt sind für menschliches Handeln sind, die Ursachen durchaus auf menschlichem Einfluss fußen können. Bei einem Kometen nun gewiss nicht, aber Dürrekatastrophen, Desertifikationen und vieles mehr, verursacht durch Mangel an nachhaltiger Lebensweise, gewiss schon.

Beide Interpretationen lassen durchaus einen Konnex zu den Grundintentionen des Filmes herstellen, bei denen es sich um die Themenfelder Wissenschaftsfeindlichkeit und Leugnung des Klimawandels handelt[3]. Inwieweit sind nun diese beiden Sujets mit eben genau dieser, schon eingangs erwähnten, Problematik im Hinblick auf Nachhaltigkeit verbunden?

So wie es sich bei der Aussage „Don‘t look up“ um eine einfache Lösung für ein ganz und gar nicht simples Thema handelt, sind Leugnung des Klimawandels und Wissenschaftsfeindlichkeit Möglichkeiten, komplexe und schwierig zu verstehende Problemfelder und Herausforderungen zu marginalisieren.

Am Beispiel des Films lässt sich dies recht gut veranschaulichen. Beginnen wir mit der Wissenschaftsleugnung[4]. Das Problem ist ein großer Komet, der die Menschheit vom Antlitz der Erde wegfegen wird. Die mögliche Lösung, diesen mit einer Vielzahl von Raketen zu zerstören, damit die vielen kleinen Teile keine Gefahr mehr darstellen, wirft viele Fragen auf. Wie koordiniert man dies? Welcher Sprengstoff wird warum verwendet? Warum ist gesichert, dass die kleinen Teile in der Atmosphäre verglühen? Könnte die Druckwelle der Explosionen nicht noch mehr Schaden anrichten? Wer sagt, dass dies überhaupt funktionieren kann? Erreichen die Raketen den Kometen überhaupt zeitgerecht? Je nach Wissensstand der Fragenden ist die Beantwortung mehr oder weniger aufwändig. Der Wissenserwerb, der damit einhergeht, wäre außerdem nachhaltig. Hinzukommt, dass die beantwortende Instanz auch einer gewissen Glaubwürdigkeit bedarf. Nährboden für die hier möglicherweise einhakende Wissenschaftsfeindlichkeit bietet allerdings auch der Umstand, dass es in der Wissenschaft keine endgültigen Antworten geben kann und Erkenntnisse immer einem stetigen Wandel unterworfen sind. Sei es, dass sich Rahmenbedingungen ändern oder neue Erkenntnisse hinzukommen, Wissen hat immer ein Ablaufdatum. Dass es dabei auch im Laufe der Zeit zu Widersprüchen kommen kann, ist klar. So wie es allerdings auch klar sein muss, dass Kritik sich nicht gegen aktuell nicht mehr vertretene Erkenntnisse richten sollte, so sie seriös und fundiert sein soll.

Der Slogan „Don’t look up“ auf der anderen Seite ist simpel, verzichtet auf Wissensvermittlung und erspart der vermittelnden Seite noch dazu, den eigenen Weg wissenschaftlich-kritisch zu hinterfragen.

Leugnung des Klimawandels[5] ist ähnlich zu betrachten. Alleine die Modellierung vergleichsweise einfacher Systeme wie einem kleinen See und dessen Umfeld ist bereits zu komplex um alleine die bekannten Parameter für eine sichere Voraussage umfassend darstellen zu können. Viele Analysen und Abschätzungen beruhend daher zu einem guten Teil auf Beobachtungen und Aufzeichnungen unter der Prämisse, dass nicht alle Details bekannt sein können. Ebenso der Unterschied zwischen Wetter (über kurze Zeiträume beobachtbar) und Klima (Wetter über einen langen Zeitraum), der auch nicht ganz so trivial ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Den Einfluss des Menschen auf das Klima aufzuzeigen ist nicht mit einem Satz getan und erfordert einiges an Zeit zur Einarbeitung. Viel einfacher ist daher ein Totschlagargument wie „das Klima ändert sich schon immer“. Also quasi auch ein „Don’t look up“. Gerade beim Klima wird man unmittelbare Verbesserungen kurzfristig nicht wahrnehmen, vielmehr geht es um eine Verantwortung kommenden Generationen gegenüber. Ökologische Systeme erfordern also Lösungen mit langfristigen Folgen und Handlungen, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Für 2068 bestand übrigens tatsächlicherweise die Möglichkeit, dass ein Komet einschlägt, wenn auch nicht im Ausmaß einer gewaltigen Zerstörung. 2004 MN4, auch bekannt unter dem Namen Apophis, hatte immerhin eine Chance von etwa 1:200, 1:250.000[6] stellt schließlich mittlerweile aber kein Risiko mehr dar[7]. Die Zertrümmerung mittels Raketen und die Planung dazu haben übrigens trotzdem bereits begonnen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Szenario nicht dem Film folgt.


Fußnoten:

[1] Siehe https://www.duden.de/rechtschreibung/Nachhaltigkeit

[2] Vgl. https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/ex23.html#10

[3] Vgl. https://www.nbcnews.com/pop-culture/pop-culture-news/dont-look-climate-change-allegory-docs-reveal-reality-rcna8584 bzw. https://www.theblaze.com/news/leonardo-dicaprio-movie-climate-change#toggle-gdpr

[4] Vgl. https://www.qiio.de/wissenschaftsleugnung-ein-symptom-mentaler-ueberforderung/

[5] Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimawandel/haeufige-fragen-klimawandel#klima

[6] Vgl. https://web.archive.org/web/20170221014156/https://neo.jpl.nasa.gov/news/news164.html

[7] Vgl. https://www.nasa.gov/feature/jpl/nasa-analysis-earth-is-safe-from-asteroid-apophis-for-100-plus-years


Bildquelle: Chris Henry on Unsplash


RaT-Blog Nr. 24/2022

  • Peter Prinesdom ist Informatiker und Umwelttechniker. Er forscht neben seinem Brotberuf als Systemadministrator derzeit für seinen PhD an der Universität Wien zur Thematik der Nachhaltigkeit bei Ordensgebäuden. Des weiteren gilt sein Interesse der großen Familie der Sciuridae.